Auszug aus EuG, 22.11.2023 - T-302/20
In einem solchen Kontext darf das Unionsgericht nicht seine Beurteilung der tatsächlichen Umstände wissenschaftlicher und technischer Art an die Stelle derjenigen der Unionsbehörden setzen, denen allein der AEU-Vertrag diese Aufgabe zugewiesen hat (…vgl. Urteile vom 21. Juli 2011, Etimine, C-15/10, EU:C:2011:504, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 1. Juni 2022, Algebris [UK] und Anchorage Capital Group/Kommission, T-570/17, EU:T:2022:314, Rn. 105 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im Rahmen dieser Kontrolle darf das Unionsgericht somit nicht die wirtschaftliche Beurteilung seitens der zuständigen Unionsbehörde durch seine eigene ersetzen (…vgl. Urteile vom 2. September 2010, Kommission/Scott, C-290/07 P, EU:C:2010:480, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 1. Juni 2022, Algebris [UK] und Anchorage Capital Group/Kommission, T-570/17, EU:T:2022:314, Rn. 106 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Denn das Unionsgericht muss, wie der Gerichtshof entschieden hat, selbst bei komplexen Beurteilungen nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (…vgl. Urteile vom 11. November 2021, Autostrada Wielkopolska/Kommission und Polen, C-933/19 P, EU:C:2021:905, Rn. 117 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 1. Juni 2022, Algebris [UK] und Anchorage Capital Group/Kommission, T-570/17, EU:T:2022:314, Rn. 108 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Ein die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses rechtfertigender offensichtlicher Fehler des SRB bei der Würdigung des Sachverhalts kann nur festgestellt werden, wenn die vom Kläger vorgelegten Beweise ausreichen, um die in diesem Beschluss vorgenommene Sachverhaltswürdigung nicht plausibel erscheinen zu lassen (…vgl. entsprechend Urteile vom 7. Mai 2020, BTB Holding Investments und Duferco Participations Holding/Kommission, C-148/19 P, EU:C:2020:354, Rn. 72, und vom 1. Juni 2022, Algebris [UK] und Anchorage Capital Group/Kommission, T-570/17, EU:T:2022:314, Rn. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Außerdem ist es nicht Sache des Gerichts, die Klagegründe und Argumente, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion (…vgl. Urteile vom 3. März 2022, WV/EAD, C-162/20 P, EU:C:2022:153, Rn. 68 und 70 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 1. Juni 2022, Algebris [UK] und Anchorage Capital Group/Kommission, T-570/17, EU:T:2022:314, Rn. 299 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Vorliegend ist festzustellen, dass für den Fall, dass das Abwicklungskonzept nicht angenommen worden wäre, die Alternative in der Liquidation von Banco Popular in einem regulären Insolvenzverfahren bestand (Urteil vom 1. Juni 2022, Algebris [UK] und Anchorage Capital Group/Kommission, T-570/17, EU:T:2022:314, Rn. 421).
Das Recht auf Gehör soll insbesondere gewährleisten, dass jede beschwerende Entscheidung in Kenntnis aller Umstände getroffen wird, und soll u. a. der zuständigen Behörde erlauben, einen Fehler zu berichtigen, und der betroffenen Person, individuelle Umstände vorzutragen, die für oder gegen den Erlass oder für oder gegen einen bestimmten Inhalt der Entscheidung sprechen (…vgl. Urteile vom 21. Oktober 2021, Parlament/UZ, C-894/19 P, EU:C:2021:863, Rn. 89 und 90 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 1. Juni 2022, Algebris [UK] und Anchorage Capital Group/Kommission, T-570/17, EU:T:2022:314, Rn. 325 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Folglich muss das Recht auf Anhörung in allen Verfahren gewahrt werden, die zu einer beschwerenden Maßnahme führen können, auch wenn die anwendbare Regelung ein solches Verfahrensrecht nicht ausdrücklich vorsieht (…vgl. Urteile vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ, C-831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 1. Juni 2022, Algebris [UK] und Anchorage Capital Group/Kommission, T-570/17, EU:T:2022:314, Rn. 326 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Da der Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte, der das Recht auf Gehör einschließt, ein fundamentaler und allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, kann seine Anwendung durch eine Verordnung weder ausgeschlossen noch eingeschränkt werden, und seine Beachtung ist daher sowohl bei völligem Fehlen einer Sonderregelung als auch bei Vorliegen einer Regelung, die ihm nicht selbst Rechnung trägt, sicherzustellen (vgl. Urteil vom 1. Juni 2022, Algebris [UK] und Anchorage Capital Group/Kommission, T-570/17, EU:T:2022:314, Rn. 327 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Insoweit sind nach ständiger Rechtsprechung Grundrechte wie das Recht auf Beachtung der Verteidigungsrechte einschließlich des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht schrankenlos gewährleistet, sondern können Einschränkungen unterliegen, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen, die mit der fraglichen Maßnahme verfolgt werden, und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (…vgl. Urteile vom 15. Juli 2021, Kommission/Polen [Disziplinarordnung für Richter], C-791/19, EU:C:2021:596, Rn. 207 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 1. Juni 2022, Algebris [UK] und Anchorage Capital Group/Kommission, T-570/17, EU:T:2022:314, Rn. 337 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Folglich wird mit der Verordnung Nr. 806/2014 ein Mechanismus geschaffen, der den Anteilseignern und den Gläubigern des abgewickelten Unternehmens eine angemessene Entschädigung im Einklang mit den Anforderungen nach Art. 17 Abs. 1 der Charta garantieren soll (Urteil vom 1. Juni 2022, Algebris [UK] und Anchorage Capital Group/Kommission, T-570/17, EU:T:2022:314, Rn. 415).
Was die Anträge einer Partei auf prozessleitende Maßnahmen oder Beweiserhebung angeht, so hat allein das Gericht darüber zu befinden, ob die ihm in einer Rechtssache vorliegenden Informationen möglicherweise der Ergänzung bedürfen (…vgl. Urteile vom 4. März 2021, Liaño Reig/SRB, C-947/19 P, EU:C:2021:172, Rn. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 1. Juni 2022, Algebris [UK] und Anchorage Capital Group/Kommission, T-570/17, EU:T:2022:314, Rn. 435 und die dort angeführte Rechtsprechung).